Der halbe Weg der Digitalisierung und wie wir doch den ganzen Weg schaffen können

Wir haben in Deutschland einen riesigen Nachholbedarf bei der Digitalisierung. Als einstige Vorreiter- und Erfindernation sind wir mit einer verfehlten Digitalpolitik der letzten Jahre weit ins Hintertreffen geraten.

Digitale Kolonialisierung ist das Stichwort und die öffentliche Hand hat dem nichts entgegenzusetzen. Dabei sind die Lösungen so einfach wie naheliegend, wenn auch nicht immer günstig. Trotzdem gäbe es einen Weg raus aus der Falle immer größerer Abhängigkeiten im Digitalsektor und einer Anfeuerung von Erfindergeist für diesen wichtigen Wirtschaftszweig.

Aber was ist digitale Kolonialisierung?
Im Groben versteht man darunter die Abhängigkeit von ausländischen Herstellern und Lieferanten, die bei einer entsprechenden Marktabdeckung quasi schalten und walten können wie es ihnen beliebt. So können Softwarehersteller wie Apple, Google und Microsoft über ihre App-Stores bestimmen, welche Anwendungen zu welchen Preisen oder überhaupt in einem Land verfügbar sind. Hardwareausrüster wie HUAWAI und andere sind in der Lage über Updates in den Infrastrukturen Daten mitzulesen, zu priorisieren oder auch komplett zu unterdrücken und nehmen damit Einfluss auf den freien Zugang zu Informationen. Alle bisher genannten Hersteller sind ausländisch reguliert oder ein Staat mischt sich in die Geschäfte über Beteiligungen oder direkt ein.

Beispiele wie eine solche Einflussnahme aussehen kann, gab es schon in den vergangen Jahren:
https://www.spiegel.de/netzwelt/web/adobe-sperrt-wegen-us-sanktionen-alle-nutzerkonten-in-venezuela-a-1290516.html
https://www.heise.de/security/meldung/Bericht-Winzige-Chips-spionierten-in-Cloud-Servern-von-Apple-und-Amazon-4181461.html
https://www.googlewatchblog.de/2021/02/android-google-huawei-amazon/

Es gibt viele Beweggründe und oft sind es „nur“ Streitigkeiten zwischen zwei großen Cloudanbietern. Aber daran erkennt man, wie groß die Macht sein kann, um Interessen durchzusetzen. Regierungen argumentieren oft mit Exportbeschränkungen und Verbrechensbekämpfung. Ob aber nun die organisierte Kriminalität Adobe InDesign für Flyer nutzt, oder ob am Ende die Behinderung einer Presse, die weltweit fast komplett mit Adobe-Produkten arbeitet, im Raum steht, mag ich hier gar nicht bewerten.

Klar ist: Deutschland bzw. Europa ist ein großer Nutzermarkt.
Wir verwenden Clouds von Microsoft, Amazon, Google, Apple und Co. so selbstverständlich, dass wir ohne zu reflektieren alle Lehrer:innen und Schüler:innen mit iPads ausstatten wollen. Kommunale Rechenzentren setzen auf Managed Services der großen Netzausrüster wie Cisco, Barracuda und Huawai und auch unsere Telekommunikationsinfrastruktur wird in der Regel mit fernöstlichen Ausrüstern aufgebaut.

Europäisches KnowHow bleibt die große Unbekannte in diesem Spiel. Wir nutzen auch in der öffentlichen Verwaltung lieber ein günstiges Office 365, welches mit extrem günstigen Preisen lockt, statt eine Implementierung aus dem eigenen Wirtschaftsraum, die es de facto auch nicht gibt. Weil auch niemand mit etwas anderem gelernt hat als den großen Playern, fühlen wir uns sicher in der Anwendung von Word, Excel und iOS.

Apple und Microsoft bieten sich eine regelrechte Schlacht um unser Bildungssystem.
Große Rabatte bis hin zur kostenfreien Nutzung sind da keine Seltenheit und die Politik ist schier begeistert von dem Credo „iPads für alle“. Dieses bringt Wählergunst und die Schulverwaltungen können mit zufriedenen Eltern aufwarten. Aber wir begeben uns in eine gefährliche Abhängigkeitsspirale, denn dass Hersteller ihre Produkte und Dienstleistungen quasi verschenken ist keineswegs ein Naturgesetz. Zudem wird allen Beteiligten der Zugang zur eigentlichen Infrastruktur verwehrt. Damit bleiben unsere Kinder trotz aller digitaler Ausstattung Nutzer:innen die auch zukünftig das Produkt kaufen und anwenden sollen. Ein Verständnis für die Materie und ein Erfindergeist für neue Dienste oder Produkte erwächst daraus nicht.

Wie kommen wir aus dieser Falle raus?
Die größte Investition ist Mut, denn man stellt sich gegen einen herrschenden Mainstream. Und der KnowHow Aufbau benötigt ein wenig Zeit, denn der eigene Betrieb braucht ein gewisses Maß an Expertise, die über die mundgerechten Häppchen einer Anwendungsumgebung hinausgeht. Hier zwei mögliche Maßnahmen, die schnell und schon heute umsetzt werden können

  • Nutzen Sie OpenSource Betriebssysteme. Diese können z.B. auch auf einem USB-Stick installiert werden, sodaß jeder Schülerin und jedem Schüler eine eigene Umgebung bereitgestellt werden kann.
  • Verwenden Sie LibreOffice als freies Office-Produkt ohne Cloudanbindung. Das Produkt vermittelt genauso gut Fähigkeiten für den Berufsalltag, wie das Microsoft Produkt.

Alleine dies beiden Punkte öffnen den Blick außerhalb des Mainstream und animieren, sich mit der Materie intensiver zu befassen, da sie viel stärker konfigurierbar sind. Nun gäbe es evtl. Einwendungen, dass die Gefahr des „Kapputmachen“ viel größer sei und Lehrer:innen dazu keine Zeit hätten permanent die Geräte der Kinder zu fixen. Aber das ist nicht der Fall, wenn man die Implementierung mit Sachverstand durchführt.

In einem folgenden Schritt kann dem Beispiel von Amazon gefolgt werden. Dazu mehr in einem separaten Bolgpost: Amazon folgen, aber intelligent

Ausgiebige Vorträge für die Implementierung von OpenSource auf USB Sticks für wechselnde Arbeitsplätze (klassische Klassenraumanwendung), den Einsatz von Einplatinencomputern (RasPi für ca. 100 €) oder über LibreOffice können gerne bei mir angefragt werden: [email protected]
Mit Anschauungsobjekten vor Ort oder online vermittele ich gerne einen Überblick zu den Alternativen.

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