Amazon folgen – aber intelligent

„Was macht Amazon, von dem Deutschland in der Digitalisierung lernen kann?“ werden sich nun viele Fragen. Die Antwort ist: „Sie lösen das Problem der Endgeräte.“

Inhalte statt Geräte stehen im Vordergrund
Das Geschäftsmodell von Amazon zielt darauf ab, dass wir so viel und so schnell wie möglich konsumieren, auch digitale Inhalte wie Filme, Bücher, Apps usw. Doch dieser Konsum hat eine schwerwiegende Falle, die zur Bremse werden kann. Die Endgeräte. Herstellern wie Apple, Samsung, HUAWAI und ganz vielen kleineren Herstellern ist der Verkauf der eigenen Hardware im Fokus. Dieser Fokus führt zu schnellen Produktzyklen oder Softwareupdates, die nicht für alte Geräte angewendet werden. Damit altern die Geräte künstlich durch Reduzierung des Funktionsumfangs, obwohl diese von ihren technisch Spezifikationen durchaus noch nutzbar wären.

Hier einige Beispiele:
https://www.maclife.de/news/akku-gate-apple-richtet-sich-offenem-brief-enttaeuschte-kunden-10099221.html
https://www.t-online.de/digital/smartphone/id_85746956/veraltete-android-versionen-erschreckend-weit-verbreitet.html

Wenn durch alte Software bestimmte Funktionen nicht mehr unterstützt werden, dann besteht das Risiko, dass Kunden keinen Zugang mehr zu den Kaufinhalten von Amazon haben und sich abwenden. Vor allem, wenn sich diese durch den Kauf immer wieder neuer Hardware sich genötigt fühlen.

Kundenzufriedenheit als oberste Gebot
Jeff Bezos, Gründer von Amazon, macht keinen Hehl daraus, dass er der Kundezufriedenheit alles unterordnet, um sein Geschäft voranzutreiben. Dieses diskutieren wir oft in der Behandlung von Mitarbeiter:innen, dem Druck in der Logistikkette und dem Umgang mit Retouren, was an vielen Stellen schon thematisiert wurde. Aber eine der Strategien ist, ein Ecosystem für Endgeräte zu entwickeln, welches Amazon als Anbieter von Inhalten selbst in der Hand hat. Fire-Tablets, Fire-TV und Sprach-Assistenten sind prominente Beispiele. Dazu gehört aber noch AWS (Amazon Web Services) als eines der größten sog. Content Delivery Netzwerke. Denn damit bestimmt Amazon, wie lange ein Gerät mit Softwareupdates versorgt wird, kennt die Verteilung der Geräteversionen, die aktiv in Verwendung sind, und kann dafür sorgen, dass, unter wirtschaftlichen Betrachtungen, Inhalte auch noch auf wirklich alten Geräten funktionieren.

Umgemünzt auf das Schulsystem in Deutschland
Wir schaffen in unseren Schulen massenhaft Geräte von Apple und Co. an und liefern uns damit der Update-Strategie einzelner Geräteherstellers aus. Diese Strategie wird nach Absatz- und Umsatzzahlen ausgerichtet. Bei 2,49 Millionen Schüler:innen (Quelle: Statistische Bundesamt für das Schuljahr 2020/2021 als vorläufige Zahl ermittelt) ist das ein Markt von 2,49 Mio möglichen Geräten. Bei einem Lebenszyklus von 5 Jahren erzeugt dieser Markt 2 Erneuerungen innerhalb von 10 Jahren und entspricht, bei einem Gerätepreis von 500 € pro Stück, 2,49 Mrd. Euro Umsatz (2.490.000.000). Wird der Lebenszyklus durch „Innovationen“ in der Software und damit einem Ausaltern auf 3 Jahre verkürzt sind innerhalb von 10 Jahren schon 3,735 Mrd. Euro (3.735.000.000) Umsatz für den Hersteller möglich. Dieses Summen werden wir als Gemeinschaft für die Beschaffung dauerhaft tragen müssen. Diese Umsätze folgen also regelmäßig für die Gerätehersteller, daher ist natürlich möglich, in der Einführung gigantische Rabatte zu geben, die Einführung zu unterstützen und auch Zubehör wie Apple-TV etc. zu verschenken, damit die Abhängigkeit von diesem Ecosystem möglichst groß wird. Hinzu kommen kostenpflichtige Apps, sowie einen Unmenge an Daten über die Benutzung der Geräte, Standorte, Laufzeiten, WLANS etc. Darüber hinaus wird schon in der Schule der Markt für die Firmenkunden von Morgen vorbereitet.

Die Entwicklung eigener Geräte hat Amazon aus dieser Falle befreit hat, damit Kunden möglichst lange mit einem Gerät Inhalte konsumieren können. Übertragen auf das obige Szenario bedeutet das für uns als Gesellschaft: Die Entwicklung eines Schultablets gibt uns als Gesellschaft die Hoheit über Daten und Lebenszyklen von Endgeräten zu entscheiden. Eine möglichst lange Lebenszeit ist nicht nur eine Nachhaltige Art mit Ressourcen umzugehen, sondern ermöglicht auch einen günstigen Zugang zu Bildung für alle Bevölkerungsschichten. Mit dem geschilderten Potential könnte Auftragsfertiger – vielleicht sogar im eigenen Land – die Entwicklung langlebiger Geräte schmackhaft gemacht werden. Zudem wären Maßstäbe für die Reparierbarkeit, Arbeitsbedingungen in der Fertigung etc. ein weiterer Pluspunkt. Der Zugriff auf den Gesamten Stack der Fertigung, des Betriebs und der Software-Updates kann also für uns als Technologie-Standort einen Vorteil für Erfindungen werden. Wir würden dem Zukunftsmarkt für Digitale Geschäftsmodelle eine Europäische Infrastruktur mit an die Hand geben können, die alle Aspekte der Wertschöpfung berücksichtigt und damit einen Anschub für eine sichere und datengeschützte Alternative schaffen.
(Quell)Offene Systeme könne damit zu einem Baustein für eine europäische Wirtschaftsentwicklung werden.

Dazu gehört politischer Wille, einen Treiber mit einem guten Plan und die Begeisterung der Wirtschaft. Ich stehe mit meiner Politik für diese Begeisterung, den Willen und den Plan, unseren Schüler:innen nicht nur die Konsumentenseite der IT-Welt zu zeigen, sondern auch sich mit quelloffenen Systemen ein echtes Verständnis von Informationstechnologie zu erarbeiten. Diese wird kein schneller Weg, aber ein wichtiger Weg sein, um uns als führend in der digitalen Welt zu positionieren.

Wie es mit kleinen Schritten schon heute losgehen kann, habe ich in meinem Blogpost Der halbe Weg der Digitalisierung und wie wir doch den ganzen Weg schaffen können aufgezeigt.

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